ChatGPT: Das Ende der Schularbeit?
Chat GPT, ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierender Chat-Bot, ist zurzeit in aller Munde. Nicht weniger als eine technologische Revolution hat das kalifornische Unternehmen «OpenAI» mit dem sprachbasierten Tool ausgelöst. In sekundenschnelle gibt der Bot Antwort auf alle möglichen Fragen, codiert Newsletter-Templates in HTML oder schreibt Pressemitteilungen. Und dies alles in äusserst guter Qualität; jedoch nicht ohne inhaltliche Fehler.
Neu ergänzt Chat GPT auch die klassische Internetsuche von BING (Microsoft-Suchmaschine) und ein Konkurrenzprodukt von Google sei kurz vor dem Start.
Es braucht mehr als ein paar Klicks
Doch was interessant, spannend und allenfalls auch effizient ist, kann natürlich auch Ängste auslösen (für den Newsletter-Programmierer oder den PR-Spezialisten) und die Versuchung ist gross, dieses Tool auch für unlautere Zwecke zu verwenden. Stichwort: Schularbeiten.
Bedeutet dies jetzt, dass Lernende Arbeiten in Zukunft nicht mehr selbst schreiben, weil sie diese mit ein paar Klicks generieren können? Wie muss in Zukunft eine schriftliche Arbeit bewertet werden oder wie verändert sich die Aufgabenstellung, um diesem Umstand Rechnung zu tragen? Muss die Verwendung von KI verboten oder doch eher der richtige und ethische Umgang damit zum Schulstoff werden? Wie kann ich verhindern, dass Lernende KI für Schularbeiten missbrauchen?
Viele dieser Fragen sind bei mir aufgetaucht und gleichzeitig auch die Neugier, ob mir Chat GPT diese nicht gleich selbst beantworten kann und mir die Aufgabe, diesen Artikel zu schreiben, auch noch abnimmt. Um es vorwegzunehmen: kann es nicht (oder nur bedingt) und hat es nicht.
Auf meine Bitte, mir doch einen entsprechenden Artikel zu schreiben über die Problematik der Nutzung von KI für Schularbeiten, kam die Antwort, dass es für den Bot nicht möglich sei, einen ganzen Artikel zu diesem Thema zu schreiben. Ganz ohne Antwort blieb es dann aber doch nicht. Ich habe ein paar Ideen für den Artikel erhalten, wie KI bei der Bewertung von Schülerarbeiten helfen kann.
Missverständnisse (vor-)programmiert
Moment, «bei der Bewertung von Arbeiten»? Das war nicht die Antwort auf meine Frage, bzw. ich hatte die Frage wohl nicht eindeutig genug gestellt. Dies zeigt auch bereits, dass es auch in der Kommunikation mit KI zu Missverständnissen kommen kann, bzw. dass es nicht ganz einfach ist, die richtige Frage zu stellen.
Also präzisiere ich die Frage: Was mit dem Aspekt sei, dass Lernende die Arbeiten nicht mehr selbst schreiben. Wieder erhalte ich mögliche Inputs.
- Die Schüler würden dabei wichtige Möglichkeiten verpassen, selbst zu lernen und sollten deshalb nicht einfach kopieren
- Das Kopieren der Arbeit von jemandem anderen bringe sie nicht weiter und sei schlussendlich Betrug
- Es brauche ethische Richtlinien, u.a. wie KI bei der Korrektur gebraucht werde und für den Schutz der Privatsphäre.
Erneut war ich nicht glücklich mit der Antwort, weshalb ich dann nach guten ethischen Richtlinien für die Nutzung von KI durch Schüler fragte. Doch Chat GPT blieb dem Thema Bewertung durch die Lehrperson treu.
Endlich eine passende Antwort
Meine Fragen hatte ich bis hierhin auf Deutsch gestellt, die Antworten kamen auf Englisch. So entschied ich mich, meine nächste Frage auf Englisch zu stellen.
Ich wollte nun endlich wissen, wie man Schüler vom Betrug mit KI abhalten könne, und bekam schliesslich auch Antworten, welche in die richtige Richtung zeigten.
- Die Lernenden schulen, dass kopieren unethisch sei und kein Lernprozess mit sich bringe.
- Nach unüblichen Mustern in der Arbeit der Lernenden Ausschau halten: Plötzliche Verbesserung der Qualität, ähnliche Antworten mehrerer Studenten.
- Überprüfung mit Plagiat-Software
- Zusammenarbeit bei der Erstellung der Arbeiten fordern und aufbauende Aufgaben stellen.
- Die Konsequenzen von Betrug klarstellen und diese falls nötig auch durchsetzen.
Das sind sicherlich gute Ansatzpunkte, welche von pädagogischen Hochschulen, Bildungsinstituten und nicht zuletzt von der Politik besser früher als später aufgenommen werden sollten. Damit beendete ich den Selbstversuch erst einmal mit der Erkenntnis, dass es nicht ganz einfach ist, die richtige Antwort zu erhalten.
Ergänzende Aspekte
Eine weitere Idee, welche im Gespräch mit Kollegen kam: Ein Grossteil der Note müsse auf dem Teil der Arbeit basieren, der sich nicht so schnell von KI schreiben lasse. Nämlich die Erstellung und Auswertung von Umfragen oder Interviews oder das Beschreiben von Lernprozessen bei der Erstellung eines Werks (natürlich inklusive Ablieferung der Originaldaten, wie dies jetzt schon geschieht).
Dazu müssten jedoch mindestens die Bewertungskriterien angepasst werden, und zwar im gesetzlichen Rahmen. Im schlimmeren Fall müsste dieser angepasst werden. Dass dies Jahre dauern würde, ist klar.
Bei kleineren Aufgaben wie der Erstellung von Präsentationen können Kontrollfragen helfen, um zu sehen, ob das Thema selber recherchiert und verstanden oder nur kopierter Text wiedergegeben wurde. Auch diese müssten entsprechend gewichtet werden. Diese Massnahme ist sicherlich zügig umsetzbar.
Fazit
Die Nutzung von KI im schulischen Umfeld hat gerade erst begonnen. Noch ist die KI nicht so weit, dass sie mir ganz einfach die Arbeit komplett abnimmt. Neben falschen Informationen erkennen, muss ich auch die richtige Frage stellen können.
Andererseits sind die Bildungsinstitutionen gefordert, Lernende für eine ethische Verwendung zu sensibilisieren (und in Zukunft wohl auch in der richtigen Verwendung zu unterrichten) und Bewertungsraster so anzupassen, dass echte und unfälschbare Eigenleistungen höher gewichtet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass Schularbeiten auch in Zukunft ihren Zweck erfüllen, nämlich eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema. So oder so, KI wird auch im schulischen Umfeld viel verändern, und wir sind erst am Anfang eines unvorhersehbaren Prozesses.
Jan Bolliger, Lehrer Wirtschaft und Recht, HKV Aarau