Interview

Wir alle sind Lernende

Simon Freiburghaus ist Lehrer an der HKV Aarau, Entwickler von massgeschneiderten Bildungsprogrammen bei den SBB und gibt Berufsbildnerkurse für den Kanton Luzern. Vorgängig war er bei der AKB für die Grundbildung zuständig.
Er glaubt und weiss, dass die Lernenden viel können. Und dass sie noch mehr können, wenn sie Aufgaben erhalten, die sie fördern und fordern.

Du bist in der Privatwirtschaft für die Entwicklung von Bildungsprogrammen zuständig und unterrichtest an der Berufsfachschule. Warum willst du beides? 

Ich bin ein vielseitig interessierter Mensch, mich fasziniert die Kombination beider Welten. Bei den SBB unterrichte ich nicht selbst, sondern konzipiere Trainings aller Art. Ich stehe aber ebenso gerne im Klassenzimmer. Die Zusammenarbeit mit jungen Menschen ist eine echte Leidenschaft.  

Es ist wichtig, dass man nicht im Elfenbeinturm irgendwelche Kurse konzipiert und mangels Bodenhaftung vergisst, wie es ist, im Klassenzimmer zu stehen.  

Zudem erachte ich es als wertvoll, in einem Fach wie Wirtschaft an der Quelle zu bleiben - so kann ich Praxisbeispiele integrieren, die nicht im Lehrbuch stehen. 

Ich finde das Operative, den Unterricht, erfüllend und spannend. Er ist und bleibt das Kernstück, die Kür. Der strategische Aspekt, das Entwickeln und Vermarkten von Bildungsprodukten, ist für mich aber genauso reizvoll und langfristig sehr relevant.  

 

Glaubst du, dass die Berufsfachschulen und die Wirtschaft noch näher zusammenrücken? 

Ja, das ist ja auch, was die Reformen bewirken wollen, was ich im Grundsatz teile. Weniger «Fachdubeli», mehr vernetzt denkende und handelnde Praktiker:innen. Solche Mitarbeitende werden nach meiner HR-Erfahrung in der Praxis geschätzt. Darum begrüsse ich die Idee, von den reinen Fächern wegzukommen. 

 

Kannst du dir vorstellen, dass Berufsfachschule und Praxis irgendwann ganz verschmelzen; also dass das, was in der Berufsfachschule unterrichtet wird, in den Lehrbetrieb übergeht? 

Auf Stufe Grundbildung glaube ich nicht daran. Sie ist ein bewährtes Schweizer Erfolgsmodell, einer unserer grossen Exportschlager. Viele kleine Betriebe hätten schlichtweg nicht die Ressourcen dazu.

 

Welchen Einfluss haben deine beiden Rollen auf deine Tätigkeit an der Berufsfachschule? 

Ich würde sagen, dass mein Umgang mit den Lernenden nahbarer wurde. Mir ist wichtig, meinen Lernenden menschlich und auf Augenhöhe zu begegnen. 

Und sicher hilft es, wenn man weiss, was in der Wirtschaftswelt geht und wie Arbeitgeber ticken. Da versuche ich, spannende und relevante Infos aus dem Nähkästchen zu ziehen.  

Es scheint mir auch hilfreich, mit den in der Praxis verwendeten Tools zu arbeiten. Bei den SBB haben wir nur noch Teams, OneNote und die Cloud. Eigene Laufwerke gibts nicht, alles wird geteilt. Deshalb war für mich klar: Ich will vorwiegend digital arbeiten. Ich halte es für eine wertvolle Meta-Kompetenz, wenn Lernende z. B. OneNote kennenlernen, weil sie damit wahrscheinlich auch in Unternehmen arbeiten werden. 

 

Welchen Einfluss hat Deine Tätigkeit an der Berufsfachschule auf deine Arbeit bei den SBB? 

Wir haben neu ein Lernenden-Team das uns unterstützt und Arbeiten übernimmt. Da lacht mein Herz. Ich bin nicht im Kernteam, das das Ausbildungskonzept entwickelt hat, aber ich habe in Feedbackrunden viel einbringen können. So zum Beispiel, dass wir die Lernenden nicht als günstige Arbeitskräfte missbrauchen, sondern ihnen spannende Arbeiten bieten, an denen sie wachsen können. Mein Motto ist «lieber leicht über-, als unterfordert». Für mich gehört auch dazu, dass die Lernenden den ganzen Prozess einer Aufgabe sehen sollen, zu dem sie einen Teil beigetragen haben. Ein Beispiel: Nach dem Übersetzen von Kursunterlagen lässt man die Lernenden zum Dank am Kurs teilhaben. Ich denke, es ist cool zu sehen «ah, jetzt wird meine Arbeit gebraucht, darum habe ich übersetzt, darum ist es wichtig, dass ich genau arbeite.» 

Wir alle im HR können den Lernenden Aufgaben zuteilen. Ich bin wohl einer derjenigen, der permanent Aufgaben einbringt, weil ich glaube und weiss, dass die Lernenden viel können. Und dass sie noch mehr können, wenn sie die Chance erhalten, dies zu zeigen. 

 

Was möchtest du uns zum Schluss noch mitgeben? 

Ich finde «Lernende/Lernender» die beste Berufsbezeichnung, die es gibt. Eigentlich sollten alle Mitarbeitenden so heissen. Denn das ist die richtige innere Haltung – beruflich, aber auch privat. 

Simon Freiburghaus, Lehrer und Entwickler von massgeschneiderten Bildungsprogrammen bei den SBB
Simon Freiburghaus, Lehrer und Entwickler von massgeschneiderten Bildungsprogrammen bei den SBB

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